Ich weiß noch genau, wie du damals aus einem Schulpferd-Betrieb zu mir gekommen bist. Du hast mir quasi das Reiten beigebracht. Wir haben tolle Jahre miteinander verbracht, in denen ich mich immer zu 100% auf dich verlassen konnte – und du dich auf mich.
Das kannst du auch heute. Mit 22 Jahren hat ein neuer Lebensabschnitt für dich, aber auch für mich begonnen. Anfangs war es schwer zu akzeptieren, dich nicht mehr reiten zu können. Ein paar halbherzige Reitversuche endeten mit schlechtem Gewissen und einem erschöpften Pferd. Also habe ich dich schweren Herzens in den Ruhestand entlassen. Den genießt du sichtlich mit anderen Pferden auf einer riesigen Weide mit Unterstand. Es geht dir gut, aber das Alter hinterlässt Spuren – und ich muss mich hinsichtlich Bewegung, Haltung, Fütterung und Pflege darauf einstellen. Denn beim alternden Pferd ändert sich vieles.
Wie aber äußert sich der Alterungsprozess? Und vor allem: Was kann ich für dich tun, damit du in deiner Seniorenzeit fit und beweglich bleibst und wir gemeinsam noch eine gute Zeit haben? Auf diese und andere Fragen gibt es hier Antworten.
Wenn dein Pferd in die Jahre kommt, betreffen die Veränderungen sämtliche Lebensbereiche. Erste Alterserscheinungen erkennen wir leicht: z.B. an den ersten grauen Haaren (besonders um Augen und Ohren, sowie am Maul und auf der Stirn), an einer veränderten Fellbeschaffenheit oder der nachlassenden Bewegungsfreude. Zu den weniger offensichtlichen Anzeichen gehören geringerer Appetit, Zahnprobleme oder Gewichtszunahme. Auch das Immunsystem arbeitet weniger effizient und die Abwehrkräfte gegen Infekte lassen nach.
Trotz allem beschreiben viele Pferdebesitzer*Innen das Leben mit einem Senior als besondere Erfahrung, weil die Beziehung zwischen Mensch und Tier inniger und intensiver wird. Außerdem gibt es heute viele Möglichkeiten, die Altersbeschwerden bei Pferden zu lindern und ihnen für lange Zeit ein schönes, angenehmes Leben zu bereiten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein stabiler, gesunder Bewegungsapparat – und um diesen zu erhalten, kannst du einiges tun.
Die Lebenserwartung (d)eines Pferdes liegt durchschnittlich bei ca. 20 Jahren. Manche werden auch über 20 und sogar bis zu 30 Jahre alt. In der Regel ist der Leistungshöhepunkt deines Pferdes im Alter von etwa 12 bis 16 Jahren erreicht. Die Lebensdauer kann aber je nach Größe des Tieres und auch nach Pferderasse variieren: Kleinere Tiere werden häufig älter als Große. Bei Arabern und Shettys dürfen wir von einer etwas höheren Lebenserwartung ausgehen als bei anderen Rassen. Sie können oft auch über den 20. Geburtstag hinaus geritten werden – sofern das Training angepasst wird. Die so genannten „Robustpferde“-Rassen wie Isländer und Fjordpferde können sogar bis zu 35 Jahre alt werden. Wie alt dein Pferd tatsächlich wird, hängt auch stark von Gesundheit, Fütterung, Haltung, Nutzung und Pflege ab. So erreichen Rennpferde beispielsweise häufig kein sehr hohes Alter, da neben der körperlichen auch die psychische Belastung groß ist.
Die Basis für ein langes und gesundes Pferdeleben können wir bereits im Jungpferdealter legen. Unter anderem prägen regelmäßige Bewegung, eine (dem jeweiligen Alter angepasste) gute nährstoffreiche Fütterung, frische Luft und Kontakt zu Artgenossen die Gesundheit eines Pferdes. Wenn du das Gewicht deines Lieblings im Blick behältst und an die regelmäßige Hufpflege denkst, hilft das, Fehlstellungen und eine Überlastung von Sehnen und Gelenken zu vermeiden.
Für Pferde besteht die Lebensfreude vor allem in Bewegung. Ihr Bewegungsapparat verändert sich aber mit den Jahren: Die Muskulatur wird schwächer und auch die Knochenstruktur verändert sich im Alter. Probleme machen können dann besonders die Veränderungen an den Gelenken. Die als „Stoßdämpfer“ dienende Knorpelschicht auf den Knochenenden im Gelenk nutzt sich mit dem Alter zunehmend ab und verliert an Elastizität. Gleichzeitig wird weniger Gelenkflüssigkeit, auch Gelenkschmiere genannt, produziert. All diese Veränderungen führen dazu, dass Schäden am Knorpel entstehen und die Reibung im Gelenk Schmerzen verursacht. Wiederkehrende Entzündungen fördern den Abbau des Knorpels zusätzlich. Hier beginnt der chronische Gelenkverschleiß (= Arthrose).
Schlecht ausgeheilte Verletzungen, über- oder fehlbelastete Gelenke sowie Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen diesen Prozess.
Links: Gesundes Gelenk, (1) Synovialmembran, (2) Knochenwand, (3) Gelenkkapsel, (4) Gelenkknorpel, (5) Knochen, Rechts: Gelenk mit Arthrose: (6) Neubildung von Blutgefäßen und Nervenenden, (7) Knorpelschäden und -abbau, (8) Bildung von Knochenauswüchsen, (9) Entzündung der Synovialmembran, (10) Knochenumbau
Gut zu wissen!
Der Gelenkknorpel funktioniert wie ein Schwamm. Er kann nur durch regelmäßige Be- und Entlastung Gelenkflüssigkeit aufnehmen und so mit Nährstoffen versorgt werden. Deshalb solltest du dein Pferd nicht zu sehr schonen und es nach wie vor regelmäßig bewegen. Ohne Bewegung schreitet die Arthrose schneller voran.
Am Anfang einer Arthrose merken dein Pferd und du meist noch nicht viel von der Veränderung, die im Inneren des Gelenks vor sich geht. Vielleicht stellst du fest, dass es etwas mehr Zeit zum Warmwerden braucht, oder dir fällt beim Beschlagen auf, dass dein Tier die Hufe nicht mehr so gut hochhalten kann. Schreitet der Knorpelabbau weiter voran, werden die Probleme jedoch unübersehbar: Oft kommt es zu deutlichem Einlaufen, die Tiere haben Schwierigkeiten beim Hinlegen oder beim Wenden in der Box, beim Durchparieren oder in der Versammlung. Auch wenn du dich wunderst, dass sich dein beim Sprung eigentlich routiniertes Pferd plötzlich unwillig zeigt oder Fehler macht, kann das auf Schmerzen hindeuten, die durch eine Arthrose verursacht werden. Ausgeprägte Fälle von Arthrose äußern sich übrigens fast immer als Lahmheit.
Insbesondere wenn dein Pferd schon in den besten Jahren ist, solltest du bei möglichen Anzeichen frühzeitig aufmerksam werden: Je eher eine Arthrose erkannt und behandelt wird, desto größer ist die Chance auf ein schmerzfreies Altern.
Falls du die Vermutung hast, dass dein Pferdesenior an Arthrose leidet, kann die Tierärztin / der Tierarzt mittels Begutachtung in der Bewegung, Beugeproben der Gelenke, gründlichem Abtasten und durch Röntgenaufnahmen oder Ultraschall eine genaue Diagnose stellen und eine direkt die geeignete Therapie einleiten. Zwar ist die Arthrose nicht heilbar, weil der Knorpel dauerhaft geschädigt wird – sie kann aber behandelt werden.
Allerdings ist die Therapie anspruchsvoll, weil sie in der Regel für den Rest des Lebens notwendig ist. Sie sollte daher gut verträglich und einfach anzuwenden sein. Was ist das Ziel dieser Behandlung? Wichtig ist zum einen, die Schmerzen und Entzündungen zu lindern, und zum anderen den Gelenkknorpel so lange wie möglich zu erhalten und schützen. Zusätzlich zur Schmerztherapie empfiehlt sich deshalb eine Langzeittherapie mit natürlichen Tierarzneimitteln, die regenerative Effekte auf den Gelenkknorpel haben.
Gut zu wissen!
Ältere Tiere leiden häufig an verschiedenen Erkrankungen gleichzeitig. Achte deshalb darauf, dass die zu verabreichenden Medikamente gut kombinierbar und möglichst ohne Nebenwirkungen sind. Deine Tierärztin / Dein Tierarzt berät dich gerne zu Therapiemöglichkeiten mit natürlichen Tierarzneimitteln.
Nicht immer sind deinem Pferd die Alterserscheinungen äußerlich anzusehen. Eine Arthrose verläuft schleichend und führt nicht sofort zu einer Lahmheit. Hab dein Pferd daher gut im Blick, damit du frühzeitig aktiv werden und Beschwerden lindern kannst.
Bewegung ist das A und O bei Arthrose. Sehnen und Gelenke bleiben dadurch länger elastisch und die Muskeln geschmeidig. Solange der Zustand deines Seniors es zulässt, hilft Arbeit unter dem Sattel und am Boden beim Erhalt bzw. Wiederaufbau der Muskulatur. Grundsätzlich gilt: Ausreichende Aufwärmzeiten einbauen sowie Kaltstarts auf der Weide vermeiden.
Ohne Aufgabe baut dein altes Pferd rasch körperlich aber auch geistig ab. Doch auch für hochbetagte Tiere gibt es eine Reihe sinnvoller Beschäftigungen: z.B. gemeinsame Spaziergänge, Bodenarbeit in einer Reitanlage oder Intelligenzspiele.
Ein zu hohes Gewicht beansprucht die Gelenke zusätzlich. Kontrolliere regelmäßig das Gewicht deines Tieres und passe – falls erforderlich – die Futtermengen an. Gib deinem Pferd lieber mehrere kleine Portionen, denn seine Verdauung arbeitet im Alter zunehmend träge.
Intensität und Dauer der körperlichen Arbeit solltest du unbedingt an das Alter deines Pferdes anpassen. Ruhezeiten helfen, die Gelenke zu entlasten. Denke daran, dass Seniorpferde meist länger brauchen, um nach ruhigen Phasen wieder „in die Gänge“ zu kommen.
Ältere Pferde haben einen höheren Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, da die Fähigkeit des Körpers Nährstoffe zu speichern nachlässt. Eine an das Alter und die Aktivität angepasste Fütterung hilft, Gewichtsproblemen und altersbedingten Stoffwechselproblemen entgegenzuwirken.
Gerade bei älteren Pferden ist eine gute und regelmäßige Hufbearbeitung immens wichtig. Sie sollte auf die Gelenk-Entlastung ausgerichtet sein, um Fehlstellungen und eine Überlastung von Sehnen und Gelenken zu vermeiden.
„Irgendwie sieht er dieses Jahr nicht so gut aus!“ Wenn du das über dein altes Pferd denkst, dann kann es dafür viele Gründe geben. Eine späte Heuernte z. B. kann zu minderwertigem Heu führen und es weniger nahrhaft und damit schlechter verdaulich machen. Zu viel Restfeuchtigkeit bietet zudem ideale Bedingungen für Bakterien, Schimmel und Verderb. Solche Qualitätseinbußen belasten vor allem ältere Pferde, deren Gesundheitszustand oft eng mit der Futterqualität verbunden ist.
Mit dem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit für Veränderungen und Erkrankungen der inneren Organe. Altersbedingte organische Erkrankungen können schleichend verlaufen, wodurch erste Symptome oft unbemerkt bleiben. Damit du frühzeitig auf erste Anzeichen reagieren und dich bei Bedarf tierärztlich beraten lassen kannst, geben wir dir hier einen Überblick über häufige organische Erkrankungen von Pferden im Alter:
Kommen ältere Pferde nicht mehr gut oder verzögert durch den Fellwechsel, besteht häufig der Verdacht, dass sie an PPID oder nach alter Bezeichnung dem Cushing Syndrome erkrankt sind. Die Diagnose stellt die Tierärztin / der Tierarzt durch einen Bluttest. Nicht nur zu langes oder dichtes Fell können Hinweise auf eine PPID/ Cushing-Erkrankung sein. Auch Gewichtsabnahme mit Abnahme der Muskulatur, vermehrter Durst und Harnabsatz, abnehmende Leistungsbereitschaft, schlechte Hufqualität und wiederkehrende Hufrehe-Schübe sollten diesbezüglich abgeklärt werden.
Unbehandelt können sich die Symptome verschlimmern und unter anderem wiederkehrende Infektionen, Hufrehe sowie Verhaltens- und Leistungsänderungen hervorrufen. Generell empfiehlt es sich, die Blutwerte älterer Pferde regelmäßig kontrollieren zu lassen, um Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und gezielt behandeln zu können.
Mit zunehmendem Alter verändert sich der Zahnstatus deines Pferdes, da die Mahlflächen der Backenzähne durch den lebenslangen Abrieb immer weiter abnehmen. Dadurch kann das Futter nicht mehr ausreichend zerkleinert werden, was die Verdauung erschwert. Die Folge kann sein, dass dein Pferd weniger frisst. Besonders grob strukturiertes Futter wie Heu wird schlechter verwertet, wodurch es zu Gewichtsverlust, Verdauungsproblemen oder Koliken kommen kann.
Zudem können scharfe Kanten, Haken oder lockere Zähne Schmerzen verursachen und die Futteraufnahme weiter einschränken. Regelmäßige Zahnkontrollen sind daher essenziell, um Probleme frühzeitig zu erkennen und die Futterverwertung deines Pferdes bestmöglich zu unterstützen.
Magenulcera oder Magengeschwüre gehören zu den häufigen Problemen und finden sich oft auch bei alten Pferden. Sie entstehen durch eine Schädigung der empfindlichen Magenschleimhaut. Stress, lange Fresspausen, Medikamente oder eine unausgewogene Fütterung können die Entstehung von Magenschleimhautreizungen und Magengeschwüren begünstigen. Die Symptome sind vielfältig und oft unspezifisch. Betroffene Pferde zeigen oft eine verringerte Futteraufnahme, wirken unruhig und gähnen häufig oder reagieren empfindlich auf Druck im Bauchbereich, etwa beim Satteln.
Auch Gewichtsverlust und Mattheit können auf Magenulcera hinweisen. Eine sichere Diagnose kann durch eine Magenspiegelung (Gastroskopie) gestellt werden. Die Behandlung zielt darauf ab, die Magensäureproduktion zu regulieren und das Haltungs- und Fütterungsmanagement zu optimieren. Weniger Stress und die Möglichkeit zur anhaltenden Raufutteraufnahme können deinem Pferd helfen, sich zu erholen.
Die Leber ist das zentrale Entgiftungsorgan und damit essenziell für den Stoffwechsel deines Pferdes. Altersbedingte Leberprobleme können durch Toxine, Parasiten, Medikamente oder langjährige Belastungen entstehen. Diese äußern sich oft durch unspezifische Symptome wie Mattigkeit, Gewichtsverlust oder Veränderungen im Verhalten. In fortgeschrittenen Fällen können auch gelbliche Verfärbungen der Schleimhäute (Ikterus) auftreten.
Mittels Blutuntersuchungen können erhöhte Leberwerte festgestellt werden. Die Behandlung fokussiert sich auf eine angepasste Fütterung (z. B. wenig Eiweiß, hochwertiges Heu) sowie die Unterstützung der Leberfunktion durch pflanzliche Präparate, zu denen dich deine Tierärztin / dein Tierarzt beraten wird. Die Vermeidung von Belastungen durch Toxine oder Stress sind ebenfalls essenziell, um die Leber deines Pferdes zu entlasten.
Je älter dein Pferd, desto mehr lässt auch die Leistungsfähigkeit seines Immunsystems nach, wodurch es anfälliger für Infektionen, Entzündungen und andere Erkrankungen wird. Die körpereigene Abwehr reagiert langsamer auf Krankheitserreger, und Heilungsprozesse verlaufen oft verzögert. Dies kann sich in häufigeren Atemwegsinfektionen, Hautproblemen oder einer schlechteren Wundheilung zeigen.
Stress, unzureichende Nährstoffversorgung und Zahnprobleme können das Immunsystem zusätzlich schwächen. Eine angepasste Fütterung mit hochwertigen Nährstoffen, ausreichend Bewegung und regelmäßige Impfungen sowie tierärztliche Kontrollen helfen, das Immunsystem deines Pferdes zu unterstützen und seine Abwehrkräfte so lange wie möglich zu erhalten.
Auch die kognitiven Fähigkeiten deines Pferdes lassen im Laufe der Zeit nach. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Abnahme der Sinnesleistungen: Seh- und Hörvermögen lassen nach, wodurch dein Pferd unsicherer in seiner Umgebung werden kann. Dies kann besonders in der Herde zu Stress führen, da es soziale Signale schlechter wahrnimmt und sich in Rangordnungen schwerer zurechtfindet. Auch auf dem Paddock oder in unbekannten Situationen kann es schreckhafter oder unsicherer wirken.
In fortgeschrittenen Fällen kann eine Art Demenz auftreten, bei der das Pferd vertraute Personen oder Abläufe nicht mehr erkennt und scheinbar ziellos umherläuft. Eine ruhige, strukturierte Umgebung, angepasstes Training und gezielte Beschäftigung können helfen, kognitive Fähigkeiten zu fördern und Stress zu reduzieren. Eine ausgewogene Fütterung mit Nährstoffen zur Unterstützung der Gehirnfunktion ist ebenfalls sinnvoll.
Gut zu wissen!
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind bei älteren Pferden besonders wichtig. Blutanalysen helfen dabei, organische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen. Achte auch auf Veränderungen im Verhalten oder Fressverhalten und suche bei Unsicherheiten frühzeitig tierärztlichen Rat. Eine angepasste Fütterung, Bewegung und artgerechte Haltung können helfen, die Lebensqualität deines Pferdes bis ins hohe Alter zu erhalten.
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