Studie zur Entstehung und Heilung des Kreuzbandrisses / des Bandscheibenvorfalls
Die Bedeutung der Haustiere und damit auch deren Behandlung im Falle einer Erkrankung nimmt immer mehr zu in unserer Gesellschaft. Manche krankhaften Veränderungen (Pathologien) sind bei Menschen und Hunden sehr ähnlich, wenn nicht identisch. Kreuzbandrupturen und Bandscheibenvorfälle gehören zu diesen Erkrankungen und sind bei Hunden sehr häufig. Der Hund dient in solchen Fällen als Modell für den Menschen und einige Forschungsergebnisse können vom Menschen auf den Hund und umgekehrt angewandt werden („translationale Medizin“). Einer der wesentlichen Vorteile dieser Modelle in der Tiermedizin besteht darin, durch natürlich vorkommende Erkrankungen Untersuchungen am Patient betreiben zu können und erlaubt damit die Zahl von Tierversuchen zu reduzieren.
Im Folgenden berichtet Prof. Dr. med. vet. Franck Forterre von der Kleintierklinik Bern über die Forschungsprojekte:
Die Firma Heel unterstützt seit Jahren die Grundlagenforschung beider Erkrankungen am Tierspital. Biologische Mechanismen, die sowohl zur Entstehung als auch zur Heilung des Kreuzbandrisses bzw. Bandscheibenvorfalls beitragen, wurden in mehreren Studien untersucht und die Ergebnisse in international anerkannten Zeitschriften veröffentlicht.
Anders als beim Menschen tritt der Kreuzbandriss beim Hund selten spontan nach einem Misstritt oder während des Sports auf. Vielmehr ist es ein chronischer Prozess, wobei die Fasern im vorderen Kreuzband geschädigt werden und schlussendlich ihrer Belastung erliegen und einreissen. Jüngere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass vor allem die Entzündung eine große Rolle für die Entwicklung des Kreuzbandrisses spielt. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist allerdings noch nicht klar, ob die Entzündung direkten Schaden am Kreuzband verursacht oder ob durch einen degenerativen (= Abbau oder Rückbildung) Prozess im Kreuzband sekundär eine Entzündung ausgelöst wird.

Aktuelle Studien befassen sich mit den verschiedenen gelenksassoziierten Strukturen, wie dem Gelenksknorpel, der Synovialmembran (Gelenkinnenhaut), der Gelenksflüssigkeit und neuerdings auch dem intraartikulären (= im Gelenk liegend) Fettkörper im Knie. Diese Forschungsarbeiten ermöglichen Einblick in die komplexen entzündlichen und degenerativen Abläufe in diesen Geweben. Hierbei spielen die darin enthaltenen Immunzellen und deren Botenstoffe (Interleukine) eine fundamentale Rolle. Diese aktivieren weitere Enzyme im Knorpel und den Kreuzbändern, welche deren Grundgerüste (sogenannte Matrix) abbauen können. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind viele dieser Abläufe zwar bekannt, jedoch bleibt unklar, wodurch dieser Prozess überhaupt ausgelöst wird. Nichtsdestotrotz können Erkenntnisse, die in der Veterinärmedizin durch Analyse dieser gelenksassoziierten Strukturen gewonnen werden, als Modell für die Humanmedizin dienen und somit einen immensen Beitrag leisten.
Die zweite Forschungsrichtung widmet sich dem Bandscheibenvorfall. Das vorgefallene Bandscheibenmaterial, welches zur Behandlung der Erkrankung operativ entfernt wird, um das zusammengedrückte Rückenmark zu entlasten, wurde untersucht. In früheren Studien konnte gezeigt werden, dass das Bandscheibenmaterial das Rückenmark durch Druck und Trauma, aber auch durch Entzündung beeinträchtigt. Dabei konnte festgestellt werden, dass sogenannte Fresszellen (Makrophagen = weiße Blutkörperchen) die Hauptrolle im Krankheitsgeschehen spielen. Diese Zellen produzieren Entzündungsmoleküle (Zytokine, insbesondere IL-1, IL-6, IL-8, TNF-α), die zum Teil für die klinischen Symptome der Patienten verantwortlich gemacht werden können. Das Vorhandensein von IL-6 (Entzündungsmolekül) in dem Bandscheibenmaterial konnte beispielsweise mit der Intensität der Schmerzen assoziiert werden. Die Biologie der Fresszellen wird aktuell weiter untersucht, um Verständnis darüber zu erlangen, ob diese Zellen eher eine heilende oder entzündliche Rolle spielen (man spricht von Polarisation).

Die Beeinflussung der Zellfunktion und Zellmatrix durch Gabe von biologischen Arzneimitteln wird derzeit bei beiden oben genannten Pathologien erforscht.